Die Privatinsolvenz, auch als Verbraucherinsolvenzverfahren bekannt, ist ein rechtlicher Prozess, der es Privatpersonen in Deutschland ermöglicht, nach einer festgelegten Zeit von ihren Schulden befreit zu werden. Dieser Artikel gibt einen detaillierten Einblick in den Ablauf, die Dauer und die Kosten dieses Verfahrens.
Einleitung in die Privatinsolvenz
Die Privatinsolvenz ist für viele Menschen, die sich in einer aussichtslosen finanziellen Lage befinden, der letzte Ausweg. Seit einer Reform im Jahr 2020 ist es möglich, bereits nach drei Jahren von den Restschulden befreit zu werden. Doch wie erreicht man diesen Punkt?
Der Ablauf der Privatinsolvenz
Schritt 1: Der außergerichtliche Einigungsversuch
Bevor ein Insolvenzverfahren überhaupt in Betracht gezogen wird, ist es gesetzlich vorgeschrieben, einen außergerichtlichen Einigungsversuch zu unternehmen. Hierbei unterstützt eine Schuldnerberatungsstelle oder ein Rechtsanwalt den Schuldner dabei, einen Schuldenbereinigungsplan aufzustellen. Ziel ist es, mit den Gläubigern eine Einigung zu erzielen, die eine Insolvenz vermeidet. Dieser Schritt ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern bietet auch die kostengünstigste Lösung, da Gerichts- und Treuhänderkosten entfallen.
Schritt 2: Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren
Scheitert der außergerichtliche Versuch, folgt der Antrag auf ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren. Der Schuldner legt dem Insolvenzgericht den Plan vor, der bereits den Gläubigern präsentiert wurde. Das Gericht prüft, ob eine Einigung möglich ist. In der Praxis ist dieser Schritt jedoch selten erfolgreich.
Schritt 3: Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Wenn keine Einigung erzielt wird, wird das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet. Der Schuldner muss umfangreiche Unterlagen einreichen, die seine finanzielle Situation darlegen. Ein vom Gericht bestellter Treuhänder übernimmt dann die Verwaltung des Vermögens und verteilt dieses an die Gläubiger.
Schritt 4: Die Wohlverhaltensphase
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt die sogenannte Wohlverhaltensphase, die seit der Reform im Jahr 2020 drei Jahre dauert. In dieser Zeit muss der Schuldner sein pfändbares Einkommen an den Treuhänder abführen. Er muss außerdem nachweislich einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich aktiv um eine solche bemühen.
Schritt 5: Das Insolvenzplanverfahren
Während der Wohlverhaltensphase kann der Schuldner einen Insolvenzplan vorlegen, der eine vorzeitige Beendigung des Verfahrens ermöglicht. Dieser Schritt ist optional und kommt in Betracht, wenn sich die finanziellen Verhältnisse des Schuldners verbessern oder die Gläubiger zu einer Einigung bereit sind.
Schritt 6: Die Restschuldbefreiung
Nach Ablauf der Wohlverhaltensphase entscheidet das Gericht über die Restschuldbefreiung. Hierbei werden alle verbliebenen Schulden erlassen, sofern der Schuldner seinen Verpflichtungen nachgekommen ist und keine Ausschlussgründe vorliegen.
Wann wird eine Restschuldbefreiung verweigert?
Die Restschuldbefreiung ist der ersehnte Abschluss des Privatinsolvenzverfahrens. Es gibt jedoch bestimmte Umstände, unter denen das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung verweigern kann:
- Unredliches Verhalten: Wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor Antragstellung oder während des Verfahrens Vermögenswerte verschwendet oder verheimlicht hat.
- Strafbare Handlungen: Bei Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat, wie zum Beispiel Betrug oder Untreue, kann die Restschuldbefreiung versagt werden.
- Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten: Wenn der Schuldner seinen Pflichten gegenüber dem Treuhänder oder dem Gericht nicht nachkommt.
- Fehlende Unterhaltzahlungen: Bei unterlassenen Unterhaltszahlungen, die der Schuldner vorsätzlich nicht geleistet hat.
- Frühere Insolvenzverfahren: Wenn der Schuldner bereits in den letzten zehn Jahren eine Restschuldbefreiung erhalten hat oder diese wegen Verstoßes gegen die Obliegenheiten versagt wurde.
Welche Schulden werden nicht von der Privatinsolvenz erfasst?
Einige Schuldenarten sind von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Dazu gehören:
- Bußgelder, Ordnungsgelder und ähnliche Verbindlichkeiten: Diese bleiben bestehen, da sie als Sanktionen für ein Fehlverhalten gedacht sind.
- Schulden aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen: Zum Beispiel Schadensersatzforderungen aufgrund von Delikten wie Körperverletzung oder Betrug.
- Verbindlichkeiten aus Unterhaltsansprüchen: Unterhaltsschulden, die während des Insolvenzverfahrens entstehen, werden nicht erlassen.
- Steuerschulden bei Steuerhinterziehung: Wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerhinterziehung vorliegt, bleiben die damit verbundenen Steuerschulden bestehen.
- Forderungen aus zinslosen Darlehen: Diese können bestehen bleiben, insbesondere wenn sie zur Finanzierung der Kosten des Insolvenzverfahrens aufgenommen wurden.
Dauer der Privatinsolvenz
Das Verfahren dauert insgesamt drei Jahre, beginnend mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung. Diese verkürzte Dauer ist seit Oktober 2020 in Kraft und stellt eine erhebliche Reduzierung gegenüber der früheren Regelung dar.
Kosten der Privatinsolvenz
Die Kosten für das Verfahren setzen sich aus Gerichtskosten und den Vergütungen für den Treuhänder zusammen. Diese können je nach individuellem Fall variieren und werden in der Regel gestundet, sodass sie erst nach der Restschuldbefreiung beglichen werden müssen.
Fazit
Die Privatinsolvenz bietet einen rechtlich geregelten Weg zur Schuldenbefreiung, doch sie ist kein Freibrief. Die Restschuldbefreiung kann unter bestimmten Umständen verweigert werden, und nicht alle Schuldenarten sind erfasst. Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass Schuldner ihre Pflichten ernst nehmen und sich während des gesamten Verfahrens kooperativ und transparent verhalten.
- Weiterführende Informationen: Bundesministerium der Justiz